Von Simon Grünig.

Und täglich grüsst das beschissene Murmeltier – vielmehr ein schlummernd flinkes Murmelbiest namens Covid-19, das uns diesen blanken Endzeithorror infiziert und die Gesellschaft glatt in Schockstarre versetzt. Die Pandemietage waren lang, einsam, düster. Nachdenklich und sehr bizarr. Eine gewaltige, so fremde, beklemmende und beängstigende Gefühlswelt stieg empor. Panik krallte sich fest.
Angst, doch wovor? Nicht um die Existenz. Um die neuartige Krankheit, das Coronavirus? Sicherlich. Persönlich daran zu verenden nur dann, wenn die Filmrolle im Kopfkino in Gang gesetzt und mit Medienfutter genährt wird. Doch vielmehr zermürben die strenge Isolation und die Abspaltung zu seinen Liebsten: Nähe, Berührungen und sorglose Leichtigkeit. Die kleinen Dinge des Lebens und Alltags, die uns geraubt und verboten wurden. Eine lieblose Hölle auf Erden. Folglich dieser neuartige Umstand, der uns in Angst versetzt und die Ungewissheit, wie lange diese «abnormal neue Welt» uns beschäftigt, verändert und kränkt. Auf wirtschaftliche Gedanken, globale Vorstellungen, die gespaltene und teils sehr radikal-respektlose Gesellschaft wird nicht explizit eingegangen.
Angststörungen und Lebensqualität-einschränkende Panikattacken betreffen zigtausende Menschen und werden meist totgeschwiegen – ein Tabuthema. Fakt. Jetzt, in Zeiten von Corona, leiden diejenigen doppelt und dreifach, kämpfen und müssen gewaltig aushalten. Bitter. Davon kann ich schluchzend ein Liedchen trällern. Verankert seit 20 Jahren in der Medienbranche – der damit grundsätzlich krisen‑, jedoch eben nicht angstresistente Protagonist hätte sich sein Jubiläumsjahr weniger belastend vorgestellt. Vielmehr feierlich vereint – nicht komplett isoliert im Homeoffice. Dann überrollte und verbannte uns das Virus. Urplötzlich diese Realität: eine groteske Welt wie sie niemand kennt, niemand sie will.
Komplett hilflos, total überfordert stecken wir mitten in der Pandemie. Werden binnen Stunden konfrontiert mit drastischen Umständen, Verhaltensregeln, Social-Distancing, Homeoffice, Desinfektionsmittel und die Anschaffung von Klopapier. Das Virus ist nicht zu verharmlosen, sollte der Gesellschaft unbedingt im Bewusstsein bleiben – wohl für zukünftige Monate: empfiehlt der gesunde Menschenverstand. Ganz ohne Nebenwirkungen.
Und trotzdem entwickelte sich Corona punktuell zur Nebensache, geriet aber nie in Vergessenheit. Oh Nein. Zeitgleich mit dem Start in die «ausserordentliche Lage» (Mitte März 2020), dem nationalen Herunterfahren, wurde Umbau und Baustelle in meinem Domizil hochgefahren – unausweichlich. Privatsphäre weg. Täglich verlässlicher Baulärm – mit rund 100db die Konzertalternative – ab 7:30 Uhr. Heilende Asbestentfernung. Sporadisch kein Wasser oder Strom. Also während Wochen die ausserordentliche Lage in der ausserordentlichen Lage, der persönliche Wohnzimmer-Shutdown. Ein weiterer Tropfen auf den heissen, unheilsamen Stein. Dazu noch ein Zweiradunfall und diverse, schmerzende Knockout-Hiebe im Privatleben bescherten zusätzliches Abenteuer in verfluchten Corona-Zeiten. Tja, wie sagte einst Lemmy Kilmister von Motörhead, «life is a bitch». Freddy Mercury kontert positiv, «the show must go on» …
Noch nie war innert weniger Wochen das kreative Schaffen, verglichen zu meiner gesamten Laufbahn, derart intensiv und geballt, die nächtlichen Einsätze teils lang. Aber zum Glück vorbeugend gegen brotlose Langeweile. Sport, wegen dem Unfall und den Regeln, war lange Zeit nicht möglich. Der Verlags- und Verkaufsleiter der Berner Kulturagenda – ein Printprodukt im Kultursektor, sprich damit doppelt vom Virus tyrannisiert – wurde von heute auf morgen der eigentlichen Aufgabe beraubt: das Kulturleben kam komplett zum Erliegen. Dennoch lancierte das vereinte Team wöchentlich ein anschauliches Erzeugnis und konnte damit die Kulturfahne stolz hochhalten und damit auch innere Befriedigung und Zuversicht spenden. Es lebt.
Die Devise in der Krise: Kreativ zusammenrücken, mit dem nötigen Abstand bitte, und spartenübergreifend zusammenwachsen, den Mut und Pioniergeist fördern. So entstand aus dem Spontaneinfall ebenso ein Lockdown-Projekt: die zwei Berner Medien «Radio Gelb-Schwarz» und «Berner Kulturagenda» initiierten im Frühjahr, in der fussball- und kulturlosen Gegenwart also, gemeinsam «RGS trifft BKA – solidarisch für und mit Bern». In Projektarbeit stürzen, neue Welten und horizonterweiternde Formen entdecken, fundiert recherchieren, wild schreiben oder lebendig fotografieren – sei es die eigene Corona-Serie – erweisen sich als heilend und überdecken diese negativen Logbuch-Einträge. Verdammt.
Es bleiben Hoffnung, positive Energie und wir freuen uns zurück in die Zukunft: vereint, mit viel spürbarer Liebe und ganz ohne Schutzmaske.
Gute Nacht liebes Tagebuch.
Simon Grünig, leitet den Verlag und Verkauf bei der Berner Kulturagenda, betreut Medienpartner und ist in seiner Freizeit kreativ unterwegs.
Disclaimer: Die publizierten Beiträge enthalten die Meinungen und Standpunkte der Verfassenden, nicht jene von Cronica Corona.
Und: Die Beiträge sind nicht lektoriert, Fehler sind Charakter und damit Teil der Authentizität von Cronica Corona.
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